Copyright © 2021 Euromaidanpress.com

The work of Euromaidan Press is supported by the International Renaissance Foundation

When referencing our materials, please include an active hyperlink to the Euromaidan Press material and a maximum 500-character extract of the story. To reprint anything longer, written permission must be acquired from [email protected].

Privacy and Cookie Policies.

Die Kosaken-"Wölfe": Sie erledigen die schmutzige Arbeit für Russland in der Ukraine

Die russische paramilitärische Gruppe “Hundertschaft der Wölfe” mit ihrem Kommandanten Ewgenij Ponomarjow im Vordergrund blockiert eine Straße in der Nähe eines Kontrollpunkts nicht weit von Slowjansk, im Osten der Ukraine, aufgenommen am 20. April 2014 (Maxim Dondyuk, TIME)

Simon Schuster – Kramatorsk – TIME – 12. Mai 2014 (Übersetzung aus dem Englischen)

Die “Hundertschaft der Wölfe”, eine russische paramilitärische Einheit mit einer dunklen Vergangenheit, setzt den Kampf im Osten der Ukraine an Stelle der russischen Soldaten fort. Die Zeitschrift TIME interviewte ihren Kommandeur und seine Männer über ihre Motive und Verbindungen zum russischen Staat.

Vor etwa einem Monat, kurz nach der Ankunft im Osten der Ukraine,stahl eine Gruppe russischer Paramilitärs, die als “Wölfe-Hundertschaft” bekannt ist, einen alten Jeep aus einer lokalen Polizeistation und gab ihm mit Sprühfarbe ein neues Aussehen. Die blaue Sirene auf dem Dach entfernten sie nicht, um sich damit einen Hauch von Autorität zu verleihen, wenn sie in den Städten unter ihrer Kontrolle patrouillierten. Aber auf die Motorhaube des schwarzen, aus russischer Produktion stammenden Geländewagens [UAZ-469 (russisch: УАЗ-469)], malten sie ihr Erkennungszeichen – den knurrenden Kopf eines Wolfes im Profil.

Seit Wochen versuchte die Zentralregierung in Kyiw, zusammen mit ihren Verbündeten in den USA und Europa, solide Beweise für russische Soldatenstiefel auf dem Boden im Osten der Ukraine zu finden. Sie brauchen nicht weiter zu suchen, denn die Männer der “Wölfe-Hundertschaft” sind da. In getrennten Interviews mit der TIME innerhalb der letzten drei Wochen gaben vier ihrer schwer bewaffneten Kämpfer zu, dass sie aus der südrussischen Region Kuban kommen. Sie sind ein Teil der Kosaken-Milizen, die seit fast einem Jahrzehnt in Diensten des russischen Präsidenten Wladimir Putin stehen, und sie sagen, dass sie nicht nach Hause gehen werden, bis sie die Ukraine erobert haben oder bei dem Versuch dabei sterben.

Die Verbindungen zum russischen Staat sind jedoch gerade noch dünn genug, damit Putin leugnen kann, sie entsandt zu haben, und diese Kämpfer wiederum bestreiten, vom Kreml bezahlt, ausgestattet oder eingesetzt worden zu sein. Sie sagen, sie seien Freiwillige, getrieben von den Idealen ihrer Kosakenbrüderschaft – dem russischen Imperialismus, dem Dienst für den Souverän und dem himmlischen Mandat der russisch-orthodoxen Kirche. In den vergangenen Monaten kristallisierte sich ihr Einsatz als eine neue Art der russischen Kriegsführung heraus, nämlich der Verwendung militanter nationalistischer Gruppen, die als Stellvertreter handeln. Bei der russischen Invasion in Georgien im Jahr 2008 und der Einnahme der Krim im März dienten bewaffnete Milizen der Kosaken neben dem russischen Militär. Aber jetzt scheint es das erste Mal zu sein, dass mehr als nur Hilfstruppen bei den Kämpfen sind.

Im Osten der Ukraine bilden die Männer der “Hundertschaft der Wölfe” den eigentlichen Kern der militanten Kämpfer, die im April mehrere Städte einnahmen, und sie behaupten, sie hätten in den vergangenen Wochen zahlreiche ukrainische Soldaten getötet. Sie sagen, sie hätten sich die meisten ihrer Waffen im April bei der Stürmung ukrainischer Polizei-und Sicherheitsgebäude und der Beschlagnahmung ihrer Arsenale beschafft. Zur Verstärkung verlassen sie sich auf das riesige Netzwerk von Kosaken-Milizen, die in Russland tätig sind, und sie hätten es mit relativer Leichtigkeit geschafft, über die Grenze in die Ukraine zu kommen.

“Für jeden Kosaken, den sie töten, werden wir hundert ihrer Männer töten,” sagt einer der Kämpfer aus der “Hundertschaft der Wölfe”, der den Spitznamen “Wodolas” (Taucher) trägt. “Wir werden sie nicht einfach nur töten. Wir werden ihren Müttern die Leichen in Säcken zurückgeben,” sagte er der TIME am 4. Mai außerhalb ihrer Operationsbasis in der Stadt Kramatorsk. Direkt hinter ihm stand der von der Polizei requirierte Geländewagen geparkt, sein knurrendes Erkennungszeichen war von der Nachmittagssonne beleuchtet.

Der Kommandant der “Hundertschaft der Wölfe” im Osten der Ukraine ist ein russischer Bürger namens Ewgenij Ewgenjewitsch Ponomarjow, der den Spitznamen “Batja” trägt, was Vater oder Papa bedeutet. Bevor er zu dem Kampfeinsatz in die Ukraine kam, diente Ponomarjow, 38, mindestens zwei Jahre als Offizier in der Uniform der staatlich geförderten Kosaken-Milizen in seiner Heimatstadt Beloretschensk, einer Bastion der Kosakenkultur im südlichen Russland.

Aber die “Hundertschaft der Wölfe” sei nach Ponomarjow schon lange vor Putins Eingliederung der Kosaken-Milizen in die russischen Streitkräfte gebildet worden. “Uns gibt es schon seit den 90er Jahren… Wir kamen zusammen, organisierten uns selbst, und begannen als Freiwillige, immer wenn es eine Bedrohung für die russisch-orthodoxe Kirche, orthodoxe Gläubige oder die Interessen des russischen Reiches gab,” sagte Ponomarjow gegenüber der TIME in Kramatorsk. “Uns gibt es seit fast 20 Jahren, als Teil verschiedener Streitkräfte, mit verschiedenen Männern, aber immer als die “Wölfe-Hundertschaft”.

Die Geschichte dieses Regiments beginnt vor fast einem Jahrhundert. Es wurde im Jahre 1915 als Kavallerie-Regiment vom russischen Oberst Andrei Schkuro gegründet, einem ethnischen Kosaken aus der Region Kuban. Seine Kämpfer zeichneten sich im Ersten Weltkrieg schnell als mit die grausamsten in der russischen kaiserlichen Armee aus. “Alles begann mit Schkuro,” sagte Ponomarjow über den Ursprung der “Hundertschaft der Wölfe”. “Damals schlugen unsere Männer die Österreicher so hart, dass sie ihre Kanonen im Stich ließen und wegliefen.”

Während ihres Diensts für Zar Nikolaus II. war die “Hundertschaft der Wölfe” anhand ihrer militärischen Banner, die den Kopf eines Wolfes auf einem schwarzen Hintergrund zeigten, leicht identifizierbar. Ihre traditionellen Kosakenmützen oder Papachas, waren aus Wolfsfell statt dem üblichen Schaffell, und ihre Kämpfer verschönerten ihre Kosaken-Uniformen oft mit dem abgetrennten Schwanz eines Wolfes. Am bekanntesten waren sie aber wegen ihres markanten Schlachtrufs, der das Heulen der Wölfe nachahmte und mit dem sie ihre Feinde einzuschüchtern beabsichtigten.

Nach einigen Berichten war Disziplinmangel notorisch. Der legendäre russische General Pjotr Wrangel, der wegen seines Rangs innerhalb des Adels und der Farbe seiner Kosaken-Uniform als “Schwarzer Baron” bekannt war, beschrieb die ursprüngliche “Hundertschaft der Wölfe” als eine Bande von Plünderern. “Abgesehen von ein paar Ausnahmen, gesellten sich die schlechtesten Elemente des Offizierskorps zu ihnen,” schrieb Wrangel in seinen Memoiren.”Die Abteilung von Oberst Schkuro… befand sich meist hinter der Front, um sich zu betrinken und zu plündern.” Ihr Einsatzgebiet im Ersten Weltkrieg lag vor allem im Süden Russlands, in der heutigen Ukraine, Weißrussland und Moldawien.

Aber sie hielten sich nur etwa fünf Jahre in ihrer ursprünglichen Formierung. Im Jahr 1917 führte die bolschewistische Revolution zum Ausbruch des russischen Bürgerkriegs, bei dem die zaristischen Truppen der Weißen Armee von der kommunistischen Roten Armee aufgerieben wurden. Schkuro, der schon den Rang eines Generalleutnants erreicht hatte, hat dazu beigetragen, dass die Region Kuban einen hartnäckigen Widerstand gegen die Kommunisten leistete. 1920 wurde die “Hundertschaft der Wölfe” mehrfach verlegt und dann aufgelöst, und Schkuro floh zusammen mit vielen zaristischen Offizieren nach Europa.

Die Kosaken wurden in den folgenden Jahrzehnten Opfer von Massenverfolgung durch die sowjetischen Behörden. Ihre militärische Einheiten wurden als Überbleibsel des Zarismus aufgelöst, und ihre Offiziere wurden getötet und zu vielen Tausenden eingesperrt. Erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erlebten sie eine staatlich geförderte Wiederbelebung. Im Jahr 2005 unterzeichnete Putin ein Gesetz zur Wiederherstellung der Tradition der Kosaken-Dienste in den russischen Streitkräften. Sie erhielten das Recht, die nationalen Grenzen zu schützen und neben der russischen Polizei und dem Militär als offizielle Miliz mit Regierungsbesoldung zu dienen.

Wie in den Tagen der Zaren führt die Befehlsstruktur der heutigen Kosaken in Russland nun direkt zum russischen Oberbefehlshaber, der das exklusive Recht zur Vergabe des Rang des Kosakengenerals innehat. Im März kamen während der russischen Invasion der Krim Tausende von Kosaken-Kämpfer mit Zustimmung des Kremls dorthin, um das russische Militär bei der Besetzung der Halbinsel zu unterstützen. Einige von ihnen kehrten nach der Annexion der Krim durch Russland nach Hause zurück, während andere direkt in die Ostukraine zu ihrem nächsten Einsatz verlegt wurden. “Wir haben beschlossen einige weitere historisch russische Länder zu erobern,” sagte Alexander Moschajew, einer der Kämpfer der “Hundertschaft der Wölfe”, der jetzt im Osten der Ukraine dient.

Insgesamt traf die TIME mindestens ein Dutzend Kämpfer in ihrer Gruppe, obwohl die Zahl zu schwanken schien, weil neue Freiwillige in die von Rebellen kontrollierten Städte im Osten der Ukraine kamen. Einer von ihnen, ein junger Kämpfer mit Kindsgesicht, der nur seinen Vornamen als Wlad angab, sagte, er sei im April von den ukrainischen Sicherheitsdiensten gefasst und zurück nach Russland deportiert worden. “Ich habe meine Augen ganz groß aufgemacht und gesagt, ich wisse von nichts,” sagte Wlad über seine Vernehmung. In Russland angekommen, sei es einfach gewesen, wieder über die Grenze zu schleichen und zu seinem Zug zu stoßen. Moschajew, über dessen Profil TIME im letzten Monat berichtete, sagte aus, er habe im März die russische Grenzkontrolle passiert, obwohl er in seinem Heimatland wegen ausgetoßener Todesdrohungen ein gesuchter Flüchtling sei. “Es gab einen offenen Korridor für die Kosaken, für die Wölfe”, sagte Moschajew. “Sie haben nicht einmal meinen Pass abgestempelt.”

All dies zeigt eine Mittäterschaft auf, wenn nicht sogar einen unmittelbaren Befehl für den Einsatz der “Wölfe-Hundertschaft” in den verschiedenen Zweigen der russischen Regierung – von russischen Grenzsoldaten bis hin zum Kreml-Rat für Kosaken-Angelegenheiten. Dennoch wäre es schwierig zu beweisen, dass die russische Regierung diese Kämpfer ausdrücklich geschickt hat, um im Osten der Ukraine einen Krieg führen. Als unregelmäßige paramilitärische Einheiten würden sie weder einen direkten Befehl der russischen Streitkräfte geschweige denn eine Zustimmung des russischen Parlaments benötigen, um sich an diesem Konflikt zu beteiligen.

Falls der Kreml ihre Aktionen in der Ukraine missbilligen würde, könnte er sie nach russischem Recht mit Leichtigkeit bestrafen. Ponomarjow zum Beispiel könnte von der Kreml-offiziellen Registrierungsliste der Kosaken-Milizionäre gestrichen werden, dann würde er die staatliche Besoldung für die polizeilichen Aufgaben, die er in seiner Heimatstadt seit Jahren ausführt, nicht mehr bekommen. Im November hat das russische Parlament außerdem ein Änderungsgesetz gegen die “Teilnahme an bewaffneten Formationen auf dem Territorium eines anderen Staates… mit Zielen, die gegen die Interessen der Russischen Föderation gerichtet sind” verabschiedet. Diese Gesetzesänderung sollte russische Bürger davon abhalten, im Bürgerkrieg in Syrien zu kämpfen, es sieht eine Gefängnisstrafe von 5 bis 10 Jahren für eine Verletzung dieses Gesetzes vor. Aber der Einsatz der “Hundertschaft der Wölfe”, einer bewaffneten Formation im Kampfeinsatz auf dem Gebiet eines fremden Staates, scheint nicht gegen die Interessen der Russischen Föderation gerichtet zu sein.

Ihr Ziel ist es, wie die Kämpfer selbst bekennen, den ukrainischen Staat zu zerstören und ihn wenn nicht ganz dann teilweise Russland einzuverleiben. “Schreiben Sie das auf: Es gibt nicht so etwas wie die Ukraine,” sagte Moschajew, der den Spitznamen Babay oder Knecht Ruprecht trägt. “Das ist nur russisches Grenzgebiet, und die Tatsache, das sie nach der [Bolschewiken-] Revolution als Ukraine bezeichnet wurde, na ja, wir wollen diesen Fehler ja korrigieren.”

In dem sie die Kreml-Propaganda nachplappern, bestehen die Männer der “Hundertschaft der Wölfe” darauf, sie seien gekommen, um die “Faschisten” zu bekämpfen, die die Macht in der Ukraine an sich gerissen haben. Aber dieser Anspruch beinhaltet auch eine spektakuläre Ironie, denn der von ihnen als Gründungsvater der “Hundertschaft der Wölfe” verehrte Schkuro war im Zweiten Weltkrieg selbst ein Nazi-Kollaborateur.

Im Jahr 1944 rekrutierte der Kommandant der Nazi-SS, Heinrich Himmler, Schkuro, der während seiner Jahre in Berlin Zirkuskünstler und Teilzeit-Schauspieler war, als Anführer des Kosaken-Kavalleriekorps innerhalb der Nazi-Wehrmacht. Schkuro erhielt dann den Rang eines Generalleutnants der Nazi-SS, und er stand etwa 2000 Männern vor, die auf der Seite der Deutschen in Jugoslawien gekämpft haben. Nach dem Krieg nahmen die Briten Schkuro gefangen und überstellten ihn nach Moskau, wo er wegen “Terrorakten gegen die UdSSR ” und anderen Verbrechen vor Gericht gestellt wurde. Sein Todesurteil durch Erhängen wurde im Januar 1947 in der sowjetischen Hauptstadt vollstreckt.
Fünfzig Jahre später bat eine russische monarchistische Organisation namens “Für Glaube und Vaterland” die russische Regierung in einer Petition, das Urteil gegen Schkuro aufzuheben und ihn zu rehabilitieren. Der Oberste Gerichtshof lehnte diesen Antrag im Jahr 1997 ab, folglich ist der Gründer der “Hundertschaft der Wölfe” in den Augen des russischen Staates immer noch ein Nazi-Kriegsverbrecher. Aber im Osten der Ukraine dient sein Erbe und das Banner, das er trug, jetzt der Sache des russischen Imperialismus erneut.


Quelle: http://time.com/95898/wolves-hundred-ukraine-russia-cossack/
Übersetzung von Euromaidan PR auf Deutsch 

 

You could close this page. Or you could join our community and help us produce more materials like this.  We keep our reporting open and accessible to everyone because we believe in the power of free information. This is why our small, cost-effective team depends on the support of readers like you to bring deliver timely news, quality analysis, and on-the-ground reports about Russia's war against Ukraine and Ukraine's struggle to build a democratic society. A little bit goes a long way: for as little as the cost of one cup of coffee a month, you can help build bridges between Ukraine and the rest of the world, plus become a co-creator and vote for topics we should cover next. Become a patron or see other ways to support. Become a Patron!
Total
0
Shares
Related Posts